Die Gilderolle

Die Gilderolle

Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf confirmierte im Jahre 1654 die Gilderolle der Bürgergilde zu Neumünster seit 1578
Herzog Friedrich III. (1597 – 1659) unterzeichnete am 8. August 1654 auf Schloss Gottorf die Gilderolle der „Bürger- und Schützengilde“
Bild: ÖNB Wien

Als im Jahre 1578 einige Bürger des Fleckens Neu­müns­ter „auf Bürgertag“ zu­sammen­kamen, um eine Gilde auf gegen­seitige Hilfe bei Brand, Not und Tod zu gründen, nannten sie ihre Gilde nach dem Tag der Gründung „Bürger­gilde zu Neu­münster“. Nicht immer wurde diese Bezeich­nung bei­behalten. In der Gilde­rolle von 1654 wird die Gilde – nachdem auch das Vogelschießen eingeführt worden war – auch „Bürger- und Schützengilde“ genannt. In der Gilderolle von 1747 heißt es „Neumünstersche Brand- und Totengilde“ und in der Confirmation dieser Rolle durch Großfürst Carl Peter Ulrich im Jahre 1751 steht „Neumünstersche Bürgergilde“. Dieser Name bleibt auch unter der dänischen Herrschaft. In der Gilderolle von 1836 steht „Bürger-Schützengilde“ und in den Confirmationen dieser Rolle durch Frederik VI. (1837), Christian VIII. (1843) und Frederik VII. (1835) wird die „Allgemeine Bürgergilde Neumünster“ bestätigt.

Nach der Eingliederung Schleswig-Holsteins als Provinz in den preußischen Staat im Jahre 1867 steht in der neuen Gilderolle: „Neumünstersche Bürger-Schützengilde“. Auch die Bezeichnungen „Burchards-Gilde“ und „Burchardi-Gilde“ tauchen in einzelnen Schrift­stücken auf, erstmalig 1726 im Schreiben der großfürstlichen Rentkammer. In alten Kalendern steht der Name „Burchard“ für den 11. Oktober. Es ist also möglich, dass dieses der „Bürgertag“, also der Gründungstag der Bürgergilde ist, das ist aber bis heute nicht eindeutig geklärt.

Sicher sind 1578 bei der Gründung Regularien für die Gilde zusammen­gestellt worden. Eine Gilderolle wird allerdings nirgendwo erwähnt. Erst nach 75 Jahren, im Jahre 1654, stellten die Gildevorsteher Hans Wulf und Hans Dibbern die „Bestimmungen der Gilde“ zusammen und ließen diese – auch Gilderolle genannt – am 8. August von Herzog Friedrich III. auf Schloß Gottorf unterzeichnen. Die Gilderolle – bestehend aus elf Seiten, geschrieben auf Pergament – ist das älteste Dokument der Gilde und beginnt mit folgenden Worten:

Vor Allen und Jeden, weß Ehren, Würden und Standes, Geist- und Weltliches die sein möchten und inson­derheit vor uns und unseren Nach­kommen, tun wir, jetzige Vorsteher und sämtliche gemeine Gilde­brüder in der ehrliebenden christ­lichen Compagnei und Gesell­schaft der Bürger­gilde zu Neumüns­ter hiermit öffent­lich kund und bekennen, daß im Namen der heiligen hoch­gelobten Drey­faltigkeit wir unsere alte Gilde­gerech­tigkeit und will­kürliche Beliebung von weiland unseren seligen Vorfahren aus christ­licher und brüder­lichen Wohl­meinung anno Christi 1578 auf Bürger­tag gestiftet, angefangen, bis heute voll­führet und jährlich gehalten, nicht haben wollen vermindern oder schwächen, sondern dieselbe einhellig, brüder­lich, beständig und unwider­ruflich an­no 1609 in den heiligen Pfingsten wie­derum erneuert, verbes­sern, bekräftigen und in besserer Form als damals geschehen in dieser Rolle verfassen und beschreiben.

Die Gilderolle von 1654 der Bürgergilde zu Neumünster seit 1578
Die Gilderolle von 1654 mit Unterschrift und Siegel des Gottorfer Herzogs Friedrich III.

Der Zweck der Gil­de wird an­schlie­ßend genau fest­ge­legt. Aus­führ­lich werden Leis­tungen der Gilde­brüder, un­ter­teilt nach Not, Tod und Brand bestimmt.

Die Brand­hilfe be­steht für jeden Gilde­bruder oder jede Gilde­schwes­ter aus zwei Tagen Bei­stand, bei eigener Kost sowie Zah­lung von einem halben Reichs­taler an den Geschädigten (1618 führte der dänische König Christian IV. die Krone als Währungs­einheit ein, in den Herzogtümern blieb es zu dieser Zeit jedoch beim alten Währungs­system: 1 Reichstaler = 48 Schilling).

Bei Todesfällen sind die Bestimmungen viel ausführlicher. Die gesamte Gilde gibt das letzte Geleit. Eingeteilte Gildebrüder übernehmen die Sarg- und Grablegung sowie das Läuten der Glocken. Selbst bei „Pest oder andere klebende Krankheit“ hat jeder Gildebruder, der an der Reihe ist, seinen Dienst zu verrichten.

Kranke Gildebrüder oder Gildeschwestern erhalten „alle Tage solange die Gilde währet ein Stübichen Bier“ (Das Stübichen war ein deutsches Flüssig­keitsmaß, ins­besondere für Wein, Brannt­wein und Bier. Die Größe war regions­ab­hängig und dürfte in Neu­müns­ter etwa drei bis vier Litern entsprochen haben).

Schloss Gottorf zu Zeiten von Herzog Friedrich III.
Schloss Gottorf zu Zeiten von Herzog Friedrich III.
Bild: Wikimedia Commons

Die Leitung der Gilde haben vier Vorsteher, die bei Insub­ordination Strafen verhängen können. Auf­genommen werden kann jeder „unberüchtigte, ehrliche Nachbar“, wer hingegen „unleidlich und zänkisch“ ist, wird abgewiesen. Es genügt, wenn von einer Familie ein Mitglied pro Feuer­stelle in der Gilde ist. Um auf­genommen zu werden, müssen zwei Gildebrüder als Bürgen benannt werden.

Das „Gildehalten“ findet jährlich am Dienstag in der Pfingst­woche nach einer morgend­lichen Andacht in des Gild­emeisters Haus statt. Die Männer versammeln sich um 12 Uhr, die Frauen um 14 Uhr.

Nun wird das Vogelschießen erwähnt. Wahrschein­lich haben die Schrecken des 30jährigen Krieges die Anregung gegeben, wieder­kehrende Schießen zu veran­stalten. Jeder Gilde­bruder hat mit seiner eigenen Büchse zu erscheinen, er kann sich aber durch seinen Sohn ver­treten lassen, wenn er verhindert ist. Wer den Vogel abschießt, muss acht Schilling an die Gilde zahlen.

Schloss Gottorf heutzutage
Schloss Gottorf heutzutage

Es folgt eine Aufstellung über Ahndungen für schlechtes Benehmen beim Gildehalten und beim Schießen wie „Rumoren, Zan­ken, Hadern, Schreien, Bal­gen, Rin­gen, Fluchen sowie unflätiges, unzüchtiges lotter­bübisches Benehmen, Würfel-, Karten- oder andere leicht­fertige Spiele oder gar Bier vergeuden oder Geschirr entzwei werfen“.

Nach Abschluss der Gildetage werden die Unkosten errechnet und um­gelegt. Wer seinen Ver­pflichtungen nicht nach­kommt, kann durch ein 8-Männer-Kollegium gepfändet werden, vorher werden jedoch noch seine Bürgen angesprochen.

Die Gilderolle trägt auf der letzten Seite die Unterschrift und das Siegel Herzog Friedrichs III. und ist datiert vom 8. August 1654.

 

Titelbild: „Wir Friedrich von Gottes gnaden Erbe Zue Norwegen, Herzog zue Schleßwig, Hollstain, Stormarn undt der Dithmarschen, Graff zu Oldenburg undt Delmenhorst“