Das Vogelschießen
Der Schießtag
Das Vogelschießen findet alle zwei Jahre am Mittwoch nach Pfingsten, jeweils in den ungeraden Jahren, auf der Vogelwiese im Tierpark Neumünster statt. In den geraden Jahren hat die Schwestergilde ihren Schießtag.
Es ist der Höhepunkt der Gildewochen, wenn die Gildebrüder in Gildeuniform – angeführt von der amtierenden Majestät – zur Vogelwiese marschieren, auf den Vogel schießen und dann am Ende des Tages ein neuer Gildekönig „erschossen“ ist.
Das Vogelschießen beginnt morgens mit einer Betstunde in der Vicelinkirche, unserer Gildekirche, so wie es Herzog Carl-Friedrich im Jahre 1736 angeordnet hat. Zuvor treten die Gildebrüder in Gildeuniform auf dem „Platz der Gilden“ (Kleinflecken) an und marschieren in die Kirche, wo sie vom Propst empfangen werden. An der Betstunde nehmen auch viele Gildeschwestern und Gäste teil. Der Propst gibt den Gildebrüdern ermunternde, aber auch ernste und tiefe Gedanken für den Tag mit auf den Weg. Auf dem Marsch zum Tierpark haben die Gildebrüder dann Zeit, über die Worte des Propsten nachzudenken. Die Gilde marschiert nach den Klängen einer Marschkapelle durch die Stadt zum Schießplatz im Tierpark, durch das Spalier der Gildeschwestern und vorbei an vielen Neumünsteraner Bürgern.
Nach einem kräftigen Frühstück im Tierparkbistrorant und dem ersten Schluck Gildebier beginnt das Schießen auf den Vogel. Geschossen wird nach der vom Schießoffizier verlesenen Schießliste. Nach alter Tradition gibt der Capitain den ersten Schuss des Tages für den Bundespräsidenten ab. Hier muss die Zitrone abgeschossen werden. Dieses gelang sogar zweimal. Im Jahre 1965 schoss Capitain Heinrich Rowedder mit dem ersten Schuss, für den damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke, die Zitrone ab. Im Jahre 2009 gelang es Capitain Dr. Ulf-Christian Mahlo erneut mit dem ersten Schuss die gelbe Zitrusfrucht abzuschießen. So ging der Preis – ein silberner Teelöffel – an den amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler, der sich mit einem persönlichen Brief – wie sein Amtsvorgänger 44 Jahre zuvor – herzlich bei dem Capitain dafür bedankte.
Dann geht es richtig los
Die Schießliste
Alle Extremitäten des Vogels müssen – nach der Zitrone – in der vorgeschriebenen Reihenfolge der Schießliste entsprechend abgeschossen werden:
- Krone
- rechte (Schleswig-Holstein) Fahne
- linke (Deutschland) Fahne
- rechte Klaue mit Reichsapfel
- linke Klaue mit Zepter
- Kopf
- rechter Flügel
- linker Flügel
- Schwanz
Die Gildebrüder müssen nicht selbst schießen. Es kann sich ein Gildebruder durchaus von einem anderen Gildebruder vertreten lassen. Der Tag ist lang. Jeder Gildebruder versucht seine Treffsicherheit auf seine Weise zu verbessern. Jede abgeschossene und herunterfallende Extremität wird von lautem Jubel und Applaus begleitet. Die Stimmung steigt von Stunde zu Stunde. Zum Schluss ist nur noch der Rumpf des Vogels übrig.
Dann geht es endlich um den Königsschuss
Der Königsschuss
Zu diesem Zeitpunkt kann jeder Gildebruder noch einmal in sich gehen, ob er beim Schießen um die Königswürde dabei sein möchte oder aber, ob er sich von der Schießliste streichen lassen möchte. Die jüngeren Gildebrüder trauen sich oft nicht so richtig. Sie warten noch ab und überlassen das Feld gern den Älteren. So nehmen, wenn es um den Königsschuss geht, nur noch diejenigen teil, die wirklich Gildekönig werden wollen. Denn das ist die Krönung eines Gildelebens.
Wenn es um den Königsschuss geht, gilt:
- Es dürfen nur die Gildebrüder teilnehmen, die bisher noch nicht König waren.
- Jeder Gildebruder schießt für sich selbst. Er darf sich nicht vertreten lassen.
- Derjenige Gildebruder, der den letzten Teil des Rumpfes abschießt, ist die neue Majestät.
Zu dieser Zeit finden sich die Ehrengäste ein, voller Erwartung des neuen Gildekönigs. Der Capitain begrüßt sie im Königszelt, spricht über Gildetradition und deren Bedeutung für unsere Stadt. Er gibt einen Rückblick auf die Regentschaft der scheidenden Majestät, dessen „letzte Stunde“ gekommen ist und gibt einen Ausblick auf das, was wohl kommen mag.
Das Raunen vom Schießzelt kündigt den nahenden Königsschuss an. Dann plötzlich ist es soweit. Ein Jubeln, ein Hurra, und tosender Applaus – der Vogel ist gefallen. Die neue Majestät wird auf den Schultern zweier Gildebrüder ins Königszelt getragen. Die Freude aller Gildebrüder und Gäste ist groß, nur der neue König ist blass. Die ersten Minuten jedenfalls, dann fängt er sich aber schnell. Die Freude ist zu groß. Nach alter Tradition nehmen die Gildevorsteher dem alten König die Königskette ab und schmücken mit ihr die neue Majestät. Jetzt darf der neue König ein zweites Mal – nach seiner Aufnahme in die Gilde – aus dem goldenem Becher Herzog Carl-Friedrichs trinken und hält seine erste Ansprache als neuer Gildekönig an seine Untertanen. Danach erhält der neue König aus den Händen der Stadtpräsidentin Anna-Katharina Schättiger die im Jahre 1726 von der „herzoglichen Rentkammer zu Kiel verfügten jährlichen Apanage von 16 Talern“ – das entspricht heutzutage umgerechnet 25 Euro, geradezu als Aufwandsentschädigung für seine Amtszeit.
Der Königskommers
Nach der offiziellen Amtseinführung bilden die Gildeschwestern und Gildebrüder – zu Ehren der neuen Majestät – ein Spalier, durch das der neue Gildekönig marschiert. Das Vogelschießen ist damit beendet und es geht auf direktem Wege ins Holstenhallen Congress Center, wo der Königskommers stattfindet – die Königsfeier nach dem Motto der Gilde: Einigkeit, Frohsinn und Gemütlichkeit. Es wird gegessen und getrunken, es wird getanzt und gelacht. Es werden die Schießpreise verteilt und es wird sich gefreut auf die zwei kommenden Jahre mit der neuen Majestät.
Holsteinischer Courier: Im Dienste Ihrer Majestät